Die neue Geopolitik des Friedens und die Panik der Kriegstreiber
Von Dr. Mona Aranea und Jürgen Schütte
Ein ausführliches Telefonat zwischen US-Präsident Trump und Russlands Präsident Putin,
ein Außenministertreffen beider Staaten in Riad, gefolgt von deutlichen politischen
Verlautbarungen, und zuletzt ein heftiges Streitgespräch zwischen Selenskij und der
amerikanischen Administration im Oval Office am 28.2.2025, haben die Welt verändert. Im
Ukrainekrieg, der nichts anderes ist als ein Stellvertreterkrieg zwischen der NATO und
Russland, ist nichts mehr, wie es vorher war.
Die Behauptung, mit Putin könne man nicht reden, er wolle keine Verhandlungen, ist
widerlegt. Auch das gängige Narrativ der kriegsbegeisterten europäischen Eliten,
Russlands Einmarsch in die Ukraine am 22.02.2022 sei ein unprovozierter
völkerrechtswidriger Angriffskrieg, stellt der amerikanische Präsident infrage. Laut Trump
hätte der Krieg von der Biden Regierung, bzw. von Selensky, verhindert werden können;
Trump hält es für „verständlich“, dass Putin die NATO nicht an seiner Westflanke dulden
wolle. Die USA und Russland streben eine baldige Friedenslösung an. Die Forderung der
NATO und westlicher Politiker „Wir müssen den Krieg gegen Russland gewinnen“, bzw.
„Die Ukraine darf den Krieg nicht verlieren“, ist damit überholt.
Der für aller Augen ersichtliche Politikwechsel in den USA kann in seiner Bedeutung für
Europa gar nicht überschätzt werden, provoziert den heftigen Widerstand unserer
bellizistischen Politeliten und eröffnet der oppositionellen Friedensbewegung in
Deutschland neue Perspektiven. Die friedensbewegte außerparlamentarische Opposition
muss lernen, Widersprüche auszuhalten, um die progressiven Elemente der Trump-
Agenda für die Sache des Friedens zu nutzen.
I. Der Politikwechsel der USA
Die Trump-Regierung hat einen einschneidenden Politikwechsel vollzogen. Im Ergebnis
steigen die USA aus dem Stellvertreterkrieg in der Ukraine aus. Die Gründe für diesen
Politikwechsel sind derzeit noch nicht genau bestimmbar. Den Eindruck, dass der USImperialismus
unter Präsident Trump zu einer Friedensmacht mutiert, widerlegte Trump
selbst wenige Tage nach seinem Amtsantritt: Unverfroren erhob er Gebietsansprüche
gegenüber Grönland, Kanada und Panama und stellte damit die Souveränität dieser
Länder infrage. Außerdem erhebt er Anspruch auf ukrainische Bodenschätze,
insbesondere auf die „Seltenen Erden“. Er macht diese zum Tauschobjekt für die
bisherigen Unterstützungsleistungen der USA in Höhe von Milliarden US-Dollar im
laufenden Krieg.
Eine Erklärung für den Politikwechsel könnte sein, dass Trump die imperialistischen Ambitionen der USA in räumlicher Hinsicht auf den amerikanisch-atlantischen Teil
beschränken will und Verstrickungen und Risiken im eurasischen Raum allein schon
wegen der Entfernung und der immensen Kosten nicht mehr eingehen will (vgl. Harald
Kujat, „Ein langfristiger Frieden ist möglich“, Video). Der Hauptgrund für den Politikwechsel
liegt jedoch schlicht im US-amerikanischen Übergang zur Realpolitik, zu welcher bei
Bedarf auch eine Geopolitik des Friedens zählt (vgl. Michael von der Schulenburg,
NachDenkSeiten 22.02.2025, Interview mit Gabriele Gysi und Florian Warweg; Jeffrey
Sachs, EU-Parlament, Video).
Die neue US-Administration nimmt nüchtern und völlig korrekt zur Kenntnis, dass der
Krieg gegen Russland in der Ukraine gescheitert ist – trotz massivster Waffenlieferungen
des gesamten Westens und sogar Angriffen auf russisches Kerngebiet, trotz
weitreichendster Wirtschaftssanktionen („Russland ruinieren“) und trotz des Versuchs,
Russland in der Welt politisch zu isolieren. Militärisch hat Russland es geschafft, die Front
immer weiter nach Westen zu verlagern, ohne dass die Ukraine jemals ernstlich
gegenhalten konnte. Russland dürfte alsbald die Verwaltungsgrenzen der Donbass-
Republiken erreicht und damit das formulierte Kriegsziel verwirklicht haben. Die
Menschenopfer beider Kriegsparteien sind enorm, wobei die Ukraine ein Mehrfaches an
Soldaten als Russland verloren haben dürfte. Die Mobilisierungsmöglichkeiten der Ukraine
sind erschöpft. Es gäbe nur noch die Möglichkeit, fremde Truppen aus den NATO-Ländern
in der Ukraine einzusetzen. Wirtschaftlich hat sich Russland trotz der Sanktionen
konsolidiert. Erfolgreich konnten viele Wirtschaftskontakte nach China und in andere
BRICS Länder verlagert werden. Von einem Ruin der russischen Wirtschaft kann keine
Rede sein. Politisch ist Russland – trotz des Einmarsches in die Ukraine im Februar 2022
– keineswegs isoliert. Dies wurde kürzlich beispielhaft in der UN-Vollversammlung
deutlich. Eine Resolution zur Verurteilung Russlands fand am 24.02.2025 keine Mehrheit.
Nur noch 93 von 193 Staaten unterstützten einen von der EU und Kiew eingebrachten
Entschließungsentwurf. Darin sollte Russland als »Aggressor« verurteilt und das Recht
der Ukraine auf territoriale Integrität, sowie die Forderung nach dem Abzug russischer
Truppen festgeschrieben werden.
Die Biden-Regierung hielt den Krieg gegen Russland in der Ukraine bis zum Schluss für
gewinnbar. Mit ihrer Zustimmung zum Beschuss russischen Kernlandes durch ATACMSRaketen
am 18.11.2024 nahm sie den Einsatz von Nuklearwaffen durch Russland als
Gegenreaktion bewusst in Kauf. Die Trump-Regierung nimmt von dieser abenteuerlichen
Realitätsverweigerung, die zudem immense Kriegskosten verursacht hätte, bewusst
Abstand. Die neue amerikanische Realpolitik bleibt nüchtern und imperialistisch, sie ist
interessengeleitet und vernunftbegabt. Trumps Geopolitik des Friedens ist kein
pazifistischer Multilateralismus, aber sie ist ein Fortschritt gegenüber Bidens Geopolitik
des selbstmörderischen Kriegswahns. Die Folgen des Politikwechsels sind weitreichend.
II. Die Folgen des Politikwechsels
Die Geopolitik des Friedens revolutioniert das Verhältnis zwischen Russland und den
USA. Laut Ergebnis der Außenministerkonferenz in Riad am 18.02.2025 wollen beide
Staaten, jenseits einer unmittelbaren Friedenslösung im Ukrainekrieg, generell die
beiderseitigen Beziehungen wieder auf eine stabile und berechenbare Grundlage stellen
( vgl. Reiner Rupp, Hilflos in der Sackgasse, Link). Dies reicht von der Neuorganisation
ordentlicher diplomatischer Beziehungen und Einrichtungen, über die Überprüfung und
voraussichtliche Rücknahme der Wirtschaftssanktionen gegen Russland, bis zur
Vorbereitung eines neuen Start- Abkommens zur nuklearen Rüstungskontrolle.
Gesprächsformate für internationale Angelegenheiten, z.B. den Nahen Osten, Iran, die
Nutzung der Arktis betreffend, etc. sollen ebenfalls eingerichtet werden. Die Eckpunkte der
gemeinsamen Lösung für den Stellvertreterkrieg in der Ukraine, wie sie aus
Regierungskreisen der USA vernehmbar sind, atmen der Geist einer aufgeräumten
Realpolitik: Im Gespräch ist die Vereinbarung eines Waffenstillstandes entlang einer
Demarkationslinie entlang des derzeitigen Frontverlaufs, was den militärischen Realitäten
auf dem Boden entspricht. Im Rahmen einer Friedensvereinbarung soll die Ukraine auf die
von Russland eroberten Gebiete verzichten – diese werden zwar nicht völkerrechtlich
russisches Staatsgebiet, faktisch werden sie jedoch so behandelt. Die Ukraine soll
souverän, aber neutral sein, wird also kein Nato-Mitglied. Wenig überraschend schlagen
nun die NATO-Hardliner, insbesondere in Deutschland und in der EU, in Panik um sich.
III. Der Widerstand gegen den Politikwechsel
Formal erschwert wird eine amerikanisch-russische Friedenslösung dadurch, dass an dem
Ukrainekrieg nicht nur die Verhandlungspartner USA und Russland beteiligt sind. Die
Ukraine selbst und die durch Waffenlieferungen und Sanktionen zu faktischen
Kriegsparteien gewordenen EU-Staaten, sowie Großbritannien beklagen vehement ihre
Nichtbeteiligung an dem nun begonnen Friedensprozess. Einzelne bekunden schon jetzt,
dass sie eine Friedenslösung von Russland und den USA – ohne ihre Beteiligung – nicht
anerkennen wollen. Diese „formalen Bedenken“ erscheinen jedoch vorgeschoben.
Wirklicher Grund ist die strikte Ablehnung einer Politik gegenüber Russland, die auf
Frieden und Ausgleich gerichtet ist. Man will den Krieg mit Russland, auch, wenn dieser im
nuklearen Fiasko enden könnte (vgl. „Sie wollen den Krieg“, Friedensbündnis NRW, Mai
2024, Link). Im Oval-Office-Streitgespräch am 28.02.2025 zwischen Trump und seinem
Vize Vance auf der einen und Selenskji auf der anderen Seite, wurde deutlich, dass die
ukrainische Seite keine Bereitschaft zu einer Verhandlungslösung zeigt, sondern den Krieg
fortführen will, obwohl er längst zum „Fleischwolf“ geworden ist und obwohl „die russische
Seite offensichtlich mehr Fleisch hat“, wie US-Außenminister Marco Rubio schonungslos
feststellte (im Interview mit CNN, 1.3.25, Video).
Die Kriegstreiber, insbesondere in Europa und Deutschland sind seit der sich
abzeichnenden Richtungsänderung der USA im „Panikmodus“. Da ist von „Diktatfrieden“
(Kiesewetter) die Rede, von „Verrat gegenüber der Ukraine“ (Habeck). Die USA werden
als politischer Gegner angesehen. Die CDU postet auf X einen Tag nach der gewonnenen
Bundestagswahl am 24.2.2025 „Die Ukraine muss den Krieg gewinnen“. In Absprache mit
den Außenministern der EU gibt Außenministerin Baerbock preis, ein 700 Mrd. Euro
Unterstützungsprogramm für die Ukraine auflegen zu wollen, um die ausfallenden
Kriegsführungsbeiträge der USA zu übernehmen. Die EU hat am 24.2.2025 das 16.
Sanktionspaket gegen Russland mit weitreichenden Handelsbeschränkungen,
Exportverboten, Ausschluss von weiteren Banken aus SWIFT, etc. verabschiedet. Ganz
offiziell soll damit der „Druck auf Donald Trump und Kremlchef Putin erhöht werden, … um
ein faires Abkommen zur Beendigung des Krieges zu erreichen.“ (Spiegel 24.02.2025).
Ebenfalls mit Datum vom 24.02.2025 haben mehrere Staaten bei einem EU-Gipfeltreffen
ein weiteres milliardenschweres Hilfspaket an Militärtechnik für die Ukraine verabschiedet:
unter anderem ist Kanada mit 24 Schützenpanzern dabei, Großbritannien mit 5,6
Milliarden US-Dollar für Militärgerät, Norwegen mit 3,5 Mrd. Euro, Spanien mit 1 Mrd.
Euro.
Die EU und weitere Länder der westlichen Welt stellen sich also ganz offen gegen die
Realpolitik der amerikanischen Regierung und machen deutlich, dass sie eine
eigenmächtige Fortsetzung der amerikanischen Tradition der aggressiven Hochrisikopolitik
anstreben. Sie setzen weiter auf das Ziel, Russland militärisch, wirtschaftlich und politisch
zu besiegen, oder ihm zumindest größtmöglichen Schaden zuzufügen. Ihre Politik der
europäischen Spaltung und der Fortführung des ukrainischen Fleischwolfs war nie im
Interesse der Menschen Europas und wird sich nun, ohne Rückhalt der Supermacht USA,
kaum noch international um- und bei der eigenen Wählerschaft durchsetzen lassen. Von
der Schulenburg (a.a.O) sieht in dieser Politik eine „Realitätsverweigerung“ und stellt die
rhetorische Frage: „Wie wollen denn die Akteure einen Krieg auf allen Ebenen gegen
Russland gewinnen, wenn dies schon nicht mit Hilfe der USA gelungen ist?“ Die
rhetorische Antwort hat praktisch die US-Regierung gegeben (s.o.): Man kann diesen
Krieg weder militärisch noch wirtschaftlich noch politisch gewinnen – wenn man nicht die
Existenz des menschlichen Lebens auf der Welt aufs Spiel setzen will. Die neue
amerikanische Geopolitik des Friedens bedeutet nichts anderes als die Anerkennung
faktischer Grenzen eigener Weltordnungsansprüche, sowie die Priorisierung konkreter
(Überlebens-) Interessen über abstrakte moralische Ansprüche wie einem Sieg der
vermeintlich Guten über die vermeintlich Bösen.
Mit Entsetzen müssen aufgeklärte Europäer feststellen, dass ihre kriegsbegeisterten Eliten
die Auseinandersetzung mit Russland weiter eskalieren und den Endsieg über Russland
predigen, während die US-Regierung, deren Vorgänger den Krieg gefördert und
Kriegspräsident Selenskij aufgebaut hat, ihre Beziehungen zur russischen Regierung
normalisiert. Diverse politische Erklärungen von EU-Kriegstreibern wie von der Leyen,
Kallas, Starmer oder Macron geben der Realitätsverweigerung unserer Eliten Ausdruck.
Deutschland Kriegsparteien dringen insbesondere auf die Revision der Schuldenbremse,
um die weiteren, monströsen Kriegskosten finanzieren zu können. Die europäische
Realitätsverweigerung bedroht unser gesamtes Wirtschafts- und Sozialsystem durch
immer weiter explodierende Kriegskosten, stellt das europäische Bündnis mir den USA infrage, und hat das Potenzial, die ukrainischen Kampfhandlungen auf Westeuropa
auszuweiten. Ein transeuropäischer Krieg wäre für Russland mit umso weniger Risiken
verbunden – und für die EU-Länder umso risikoreicher – je schwächer die Bindung der
US-Militärmacht an Europa wird. Für ein Umschwenken auf die amerikanische Geopolitik
des Friedens benötigt es nun Druck auf die politischen Eliten der EU und des Westens –
von oben und von unten.
IV. Die Rolle der Friedensbewegung in der Geopolitik des Friedens
Die Friedensbewegung muss den Politikwechsel der USA im Stellvertreterkrieg in der
Ukraine als einen Beitrag zum Frieden begrüßen und unterstützen. Er ist geeignet, das
Morden zu beenden, und hat die Atomkriegsgefahr schon jetzt deutlich reduziert. Der USImperialismus
ist nicht plötzlich friedfertig geworden, und bleibt aller Voraussicht nach
aggressiv und kriegerisch, wo dies zum Erfolg führt. Die Trump-Regierung hat jedoch
erkannt, dass ein Weiterführen des Krieges nicht zu einem Sieg über Russland führt,
sondern nur das Morden mit tausenden Toten verlängert, die Gefahr eines Atomkrieges
erneut heraufbeschwört und weitere immense Kosten verursacht, die zu spürbaren
Einschnitten des Lebensstandards der Bevölkerung in den kriegführenden Ländern führen
würden. Für die friedensbewegte Opposition in Deutschland und der Welt ist
entscheidend, dass wir den Verständigungswillen der USA als ein „Öffnen des Fensters für
den Frieden“ verstehen und die progressiven Elemente der neuen amerikanischen
Realpolitik aufgreifen.
Angesichts des schon jetzt sichtbaren Widerstandes der Kriegstreiber ist der
Politikwechsel kein Selbstläufer. Alle an Wohlstand und Sicherheit interessierten Akteure
der Zivilgesellschaft müssen Druck ausüben, damit die begonnen Gespräche und
Verhandlungen zu einer dauerhaften Friedensregelung führen. Die Länder der EU,
insbesondere Deutschland, sollten dem amerikanischen Vorbild folgen und jede
Kriegsunterstützung für die Ukraine einstellen. Sie sollten fordern, die Stationierung von
amerikanischen Mittelstreckenraketen – mit dem Ziel der Nichtstationierung – mit in das
Verhandlungspaket einzubeziehen. Auch müssen die Staaten der EU ordentliche
diplomatische Beziehungen mit Russland wiederherstellen, eingestellte institutionelle
Beziehungen und Gesprächsformate wieder beleben. Zur Normalisierung der
Beziehungen zu Russland gehört auch die Wiederaufnahme aller Wirtschaftsbeziehungen,
die Aufhebung der Sanktionen, die Reparatur der North-Stream-Pipeline, um wieder
russisches Gas zu beziehen, sowie die Wiederherstellung aller Wissenschafts- und
Kulturbeziehungen. Die Friedensbewegung sollte der in den letzten Jahren auf die Spitze
getriebenen Russophobie mit der offensiven Forderung „Frieden mit Russland“
entgegentreten und diese mit Leben füllen. Der 80. Jahrestag des 8. Mai in diesem Jahr ist
ein guter Anlass für die Friedensbewegung, diesen Tag zu einem Feiertag der
Verständigung und des Friedens mit Russland zu machen.